Flaschenpost für künftige Generationen im Schösserturm der Bücherei
Private Bauherren kennen den schönen Brauch: Bei einem Neu- oder Umbau wird eine Zeitkapsel mit Dokumenten und besonderen Erinnerungsstücken in den Grundstein oder das Mauerwerk hinterlegt. 20, 50 oder gar 100 Jahre später können so nachkommende Generationen etwas über die Zeit erfahren, in der das Haus gebaut oder saniert wurde.
So eine „Flaschenpost mit Geschichte“ wurde jetzt anlässlich der Sanierung des markanten „Schösserturmes“ an der Karl-Preusker-Bücherei deponiert. Bereits während der Arbeiten hatten Bauarbeiter eine zylindrische Kapsel aus dem Jahr 1932 gefunden. Diese enthielt verschiedene historische Dokumente, unter anderem jeweils ein Großenhainer Tageblatt vom 5. und 11. November 1932, einen kurzen Zeitspiegel, verfasst vom Großenhainer Lehrer Kurt Schwandt (1886-1955), Geld und Briefmarken aus der Inflationszeit 1923 sowie eine illustrierte Wochenbeilage zum Großenhainer Tageblatt mit dem Titel „Das Leben im Bild“.
Nach dem Abschluss der umfangreichen Sanierungsarbeiten befüllten nun Oberbürgermeister Sven Mißbach und Thomas Schindler, Geschäftsführer der GWVB und zugleich Bauherr, eine neue Zeitkapsel (Foto). Sie beinhaltet neben den historischen Dokumenten aus dem Jahr 1932 auch aktuelle Dokumente und Zeitzeugnisse wie Briefe des Oberbürgermeisters, des Bürgermeisters und des Leiters der Städtischen Museen, Foto-Dokumentationen der Sanierungsarbeiten, Münzen und eine Tageszeitung.
Am „Schösserturm“ wird Großenhainer Stadtgeschichte lebendig
Der „Schösserturm“ zählt zu den ältesten Bauwerken Großenhains. Er datiert vermutlich aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Zu seiner früheren Bedeutung und Funktion existieren verschiedene Theorien: So kann er Teil eines dort vermuteten Burgwards aus der Zeit noch vor der Stadtgründung gewesen sein oder stammt möglicherweise auch von der sogenannten Propstei, einem Stift, das um 1240 nach Zscheila verlegt wurde. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts bezog man den Turm baulich in die Klosterkirche des Maria-Magdalenen-Klosters ein.
Der Begriff „Schösserturm“ leitet sich vom Begriff „Schösser“ ab. Damit bezeichnete man im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Steuereintreiber. Dass der Turm an den Amtssitz der Schösserei angrenzte, eine Niederlassung der landesherrlichen Finanzverwaltung, die sich ab dem 16. Jahrhundert im ehemaligen Gebäudekomplex des Klosters befand, prägte seinen Namen, wie Gustav Schuberth in seiner „Chronik der Stadt Großenhain“ Ende des 19. Jahrhunderts festhielt.
Bei der in diesem Jahr durchgeführten Sanierung des Turmes wurden unter anderem Feuchtigkeitsschäden und Schäden am Mauerwerk, die die Statik beeinflussten, behoben. Außerdem wurde ein großer senkrechter Riss auf der Westseite mithilfe einer Vernadelungstechnik stabilisiert. Dabei werden lange Stäbe in das Bauwerk eingelassen, um das Mauergefüge zu sichern. Die Sanierung begann im Frühjahr und dauert bis September. Die Kosten belaufen sich auf rund 170.000 Euro und wurden mit Mitteln des Freistaates Sachsen aus dem Sonderprogramm Denkmalpflege zu 50 Prozent gefördert.